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Super Acht Filme
Nicht unterzukriegen!
Ingrid Arnold | 14.12.2005
Sein erstes Remake von "King Kong"
drehte Peter Jackson bereits 1973 – als Zwölfjähriger und mit der
Super-8-Kamera seines Vaters. Anekdoten wie diese gehören zum Mythos
des Kinos. Sie lassen sich so ähnlich auch von Steven Spielberg, Spike
Lee oder Roland Emmerich erzählen: große Filmemacher - die klein
anfangen. Und zwar mit Schmalfilm.
Die ersten Home Movies
Viele der Nachwuchsfilmemacher/innen der 1960er- und 1970er-Jahre
blieben jedoch Amateure. Sie bilden bis heute die breite Basis der
weltweit nicht unterzukriegenden Super-8-Gemeinde. 1965 kam das neue
Schmalfilm-Format auf den Markt; "super" daran war die bessere
Ausnutzung der 8mm-Filmbreite. Das neue Format bedeutete ermöglichte
nicht nur, Filme selbst zu drehen; mit kleinen Projektoren war auch das
Abspielen im heimischen Wohnzimmer möglich.
Tonlose Filme von Kindergeburtstagen der zwischen 1960 und 1980
Geborenen lagern heute noch zuhauf in elterlichen Schrankwänden. Und
allen analogen und digitalen Videoformaten zum Trotz haben sich der
Amateur- genauso wie der Kinofilm ihre Liebe zum schmalen Format
bewahrt – erschwinglich, schön und mit einem ganz eigenen Look.
Der Anfang vom Ende?
Im Mai 2005 feierte ein "Global Super 8 Day" den 40. Geburtstag des
Formats. Kurz danach gab Kodak bekannt, die Produktion des beliebten
Super-8-Films Kodachrome 40 einzustellen. Als Ersatz bietet der
Filmhersteller einen neuen, verbesserten Ektachrome-Film, 64T, an.
Abgesehen von Unterschieden in der Bildqualität und Kameralauffähigkeit
ist das neue Material auch teurer; die Entwicklung zudem künftig nicht
mehr im Preis inbegriffen.
Die weltweiten Proteste erreichten jedoch kein Einlenken bei Kodak. So
lebendig die Super-8-Szene nach wie vor ist, so sehr ist sie auf die
technische Unterstützung von Materialherstellern und Kopierwerken
angewiesen.
Material für Erinnerungen
Super-8 hat immer noch eine Bildqualität, mit der sich das digitale
Videoformat nie messen kann. Die Kameras sind mechanisch und robuster –
und Super-8-Fans lieben das Gefühl, echte Filmemacher zu sein, wenn die
Kamera surrt.
Der einzigartige Look ist nach wie vor auch bei Profis gefragt, in
Musikvideos ebenso wie bei Regisseuren von David Fincher bis Oliver
Stone – nicht nur, wenn es authentisch nach 1970er-Jahren aussehen
soll. Zur Kinovorführung wurden die Filme zwar oft auf 16mm- oder
35mm-Format "aufgeblasen", sprich kopiert. Die Ästhetik aber blieb
unverwechselbar. Das körnige Flimmern hat sich so tief ins kollektive
ästhetische Gedächtnis gegraben, dass er Kindheitserinnerungen
heraufbeschwören kann – auch wenn diese eigentlich ganz anders aussahen.
"Alle Macht der Super 8"
Die Entwicklung von Super-8 vom Amateurfilmmedium zu einem der
künstlerischen Auseinandersetzung verlief fast parallel zum Aufkommen
von Video: Papa kaufte sich eine Videokamera, die Tochter bekam die
alte Super-8-Kamera. Die boomende neue Filmkultur passte genau in den
Zeitgeist, in dem eine junge Generation Gegenöffentlichkeit schaffen
wollte. Die technischen Gegebenheiten des Super-8-Films – die fehlende
Tonspur und eine durch die Kürze der Filmrollen mit drei Minuten
begrenzte Einstellungslänge – führten gleichzeitig zur Entwicklung
einer eigenen Ästhetik.
Der experimentelle Charakter der Filme hingegen unterlag keinerlei
Beschränkungen: Alles war möglich – falsche Belichtung, zerkratzte
Emulsionen, Krach als Klangteppich. Punks, Hausbesetzer und AKW-Gegner
drehten Kurzfilme und gründeten Film-Festivals. Die Kunstavantgarde der
frühen Eighties unterlegte ihre Bildexperimente mit eigener Musik.
Dass Super-8 auch in der DDR – und dort sogar etwas länger als im
Westen – eine große Rolle spielte, scheint im kollektiven Gedächtnis
untergegangen: "Die Militanz des Alltages übersetzte sich in eine
geschleuderte, wütende Montage. Müllberge, verrottete Industrie,
zerfallene Häuser waren beliebte Sujets", schreibt Regisseur Lutz
Dammbeck ("Das Netz"), der zur Super-8-Avantgarde der DDR gehörte. Für
"Der Rote Kakadu" von Dominik Graf (Kinostart: 16. Februar 2006) nutzte
Kameramann Benedict Neuenfels Super-8-Material, um authentische
DDR-Bilder einzufangen.
Kunst für alle
Der Anspruch, Gegenkultur zu sein, hielt sich – zumindest in Westberlin
– in der Realität nicht allzu lange; der Schritt zur Produktion von
Musikvideos und damit zur Vermarktung der eigenen Kunst war nicht groß.
Die Entwicklung in dieser Phase dokumentieren die Filme der Berliner
Super-8-Szene der späten Siebziger und frühen Achtziger, die nun in
zwei DVD-Editionen vorliegen. Die meisten der Filmemacher/innen
arbeiten auch heute noch im Filmbereich. Wo frühe Werke politisch
radikal und ästhetisch subversiv waren, werden in den späteren Filmen
Stile erprobt und Handschriften ausgefeilt. Am spannendsten sind
deshalb die Dokumentaraufnahmen geblieben – und nicht die manchmal
etwas aufgesetzt wirkenden Kunststudentenfilme.
Dass die Macher/innen von damals noch mal in ihren Kisten gekramt
haben, ist in jedem Fall ein Gewinn: Bei aller Nostalgie – und dem
Verdacht, dass hier auf den nicht enden wollenden
Achtziger-Jahre-Revival-Zug aufgesprungen wird – dienen die DVDs auch
dem Sichtbarmachen eines tatsächlich vom Verschwinden bedrohten Teils
der Filmkultur. Das Ende von Super-8 muss man dennoch nicht einläuten:
Vom Radio zum Fernsehen oder vom Kino zu Video wurden bislang alle
vermeintlichen medialen Ablösungsprozesse überstanden. Dem Super-8-Film
wird seine Nische erhalten bleiben – neben der Vinyl-LP und den
Musikcassetten.
Ingrid Arnold arbeitet frei im Filmbereich.
Foto: Andreas Gehrke
www.schmalfilm.de
Magazin "Schmalfilm"
www.super8site.com
Online-Fanzine für Super-8-Fans
www.super8.ch/globalsuper8day
"Global Super-8 Day" 2005
www.interfilm.de/interfilm/chronik/chronik.html
Chronik des 1982 gegründeten (West-)Berliner Interfilm-Festivals
www.monitorpop-entertainment.de
Mehr zur DVD "Berlin Super 80"
www.schmidtproductions.de/macht
Mehr zur DVD "Alle Macht der Super 8"