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Meterware fürs Heimkino
Der Super-8-Film-Markt kommt in Bewegung Von Wolfram Tickv
Nach neuesten Schätzungen stehen in Deutschlands Wohnungen knapp eine Million Schmalfilmprojektoren. Sehr viele ihrer Besitzer haben bereits festgestellt, daß das ausschließliche Sammeln von Eigenproduktionen etwa so ergiebig ist, wie wenn man sein Tonbandgerät nur zum Einfangen von Babys Stimme benutzt. Sie alle gehören zu jenen Filminteressenten, denen sich ein in jüngster Zeit immer schneller wachsender Berufszweig widmet, der bislang ziemlich gründlich von dem Interesse, der Cineasten xmi Kritiker verschont blieb: der Vertrieb von Super-8-Filmen für das Heimkino.
Sieht man sich das gängige Angebot näher an, wird schnell verständlich, warum der Branche so wenig an Publizität gelegen war: Bis vor einem Jahr monopolisierten vier Firmen den Markt, die alle nach dem gleichen Prinzip arbeiteten: Erlaubt ist, was gefällt. Und was gefällt, das haben die Programmgestalter des Sonntagnachmittagsfernsehpichelsteiner schon jahrelang vorexerziert: Stummfilmkomikerverschnitte, Trickfilmfölgen mit einer hohen Nietenquote, alte Spielfilme, die man abends niemandem anbieten möchte, und Dokumentarisches aller Art. Was dem einen seine Mickymaus, ist dem anderen sein Schweinchen Dick und dem dritten sein Yogi Bär; bietet der eine Filme aus Bayern und Ostasien, richtet der andere sein Augenmerk auf europäische Hauptstädte, während der dritte zum Mond reist. Für mehr als eine Mark pro Meter, über fünf Mark pro Minute, kann man zehn Minuten lang die bekannten bunten Postkartenund Illustriertenbilder in Bewegung sehen.
Alle Produzenten aber treffen sich auf der Ebene weltweit anerkannten Humors: Dick und Doof, Charlie Chaplin, gelegentlich auch einmal Digests aus Filmen Buster Keatons oder anderer Komiker werden in unterschiedlichsten Längen, unter den phantasievollsten Titeln verbraten.
Wenn ein Sammler Chaplin-Fan ist und quer durch die Angebote kauft, ist folgendes möglich: Er kauft „Charlie als Wohltäter" (7,50 Mark), dann „Charlie auf der Leiter" und „Charlie als Uhrmacher" (je 12 Mark) und vielleicht noch für 9,90 Mark „Charlie in der Küche". Obwohl alles Ausschnitte aus „The Pawnshop" sind, hat der Käufer sogar noch Glück, denn diese Ausschnitte überschneiden v sich wenigstens nicht. Er hätte den Film aber auch komplett haben können: für 59,90 Mark bei Internfilm, für 69 Mark (im Laden 87 Mark) bei Atlas/Piccolo (wo er öfter auf Köpfe verzichten muß, da das Original beim Kopieren falsch maskiert war), für 72 Mark bei Globus, dessen lange Fassung jedoch ebenso wie bei Internfilm nicht vollständig ist.
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Das alles soll nicht etwa besagen, daß der Käufer bei den Ausschnitten günstiger gefahren wäre. In der Regel sind diese nämlich willkürlich aus dem Zusammenhang geschnitten, wie es die Filmrolle (abzüglich eines stattlichen Vorund Nachspanns) gerade zuließ, und so jeglichen Sinns und Witzes beraubt.
Die Beispiele sind beliebig fortzusetzen und auf die Filme von Laurel & Hardy übertragbar. Es ist aber noch viel mehr möglich. So kann man Filme von Buster Keaton haben, für deren Vertrieb, nach Auskunft des Inhabers der deutschsprachigen Rechte, überhaupt keine rechtliche Basis existiert und die deshalb wohl audhnach Kräften unkenntlich gemacht wurden. „Buster Keaton als Straßenfeger" ist so hart kopiert, daß der Film mehr als animierte Graphik denn als Film genießbar ist; von „Cops" fehlen die ersten fünf Minuten. Das dreisteste Stück dieser Art wird inzwischen nicht mehr vertrieben, ist jedoch im Tenor noch immer aktuell: Der Karton trägt den Titel „Buster Keaton auf Reisen" und ein Photo aus „Go West". Statt der vermuteten ersten zehn Minuten aus diesem Film, die der Karton seiner Größe nach gefaßt hätte, erhält der Käufer jedoch sechs Minuten Verschnitt aus „The General", den irgendein Cutter als abenteuerliche Fahrt mit einem Zug zusämmengeschnitten hat, wobei die Abfolge der Szenen völlig durcheinandergeworfen, eine neue Kontinuität aber nicht hergestellt wurde.