Nie hätten wir gedacht, dass es irgendwelche Probleme geben würde,
unseren Super 8-Film „Der Mann der die Bäume pflanzte“ der sich schließlich
im Original ordnungsgemäß qualifiziert hatte, auf der DAFF vorführen
zu können. Noch im letzten Jahr hatte Manfred Neumann in Bad
Liebenstein auf Bitten der Veranstalter die Schmalfilm-Projektion durchgeführt,
die große Anerkennung gefunden und bewiesen hat, zu welchen
Hochleistungen unser schmales Format auflaufen kann, wenn man ihm nur die
Chance dafür gibt. Diesmal war Manfred Neumann nicht mehr gefragt.
Aus dem Internet erfuhr ich, dass unser Film als einziger Super 8-Film
im Programm aufgeführt war. Misstrauisch rief ich beim Veranstalter
in Castrop-Rauxel an, um mich nach dem Stand der Filmvorbereitungen zu
erkundigen, konnte den ausrichtenden Clubleiter aber nicht persönlich
erreichen. Kurz danach meldete sich aber jemand von der zuständigen
Technik, der mich zu überreden versuchte, meinen Film auf Video zu
überspielen. In Castrop-Rauxel stünde der neueste Videobeamer
von Sony mit einem phantastisch hellen Bild zur Verfügung, und wir
würden sicher nur enttäuscht sein, wenn unser Film auf einem
Super 8-Projektor vorgeführt werden würde Überhaupt sei
es schon sehr „mutig“, dass wir es überhaupt wagen wollten, einen
Super 8-Film auf eine acht Meter breite Leinwand zu projizieren. Ich ließ
mich darauf aber nicht ein und bestand auf Super 8-Projektion. Man konnte
mir aber nicht sagen, welche Technik dafür eingesetzt werden sollte.
So bot ich an, meinen eigenen Projektor mitzubringen, um dem zu erwartenden
Desaster zuvorzukommen. Sonderlich erfreut schien man über diese Wendung
allerdings nicht zu sein, und ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass
man keine Zeit haben würde, sich groß um mich zu kümmern,
da man voll mit der Videoprojektion beschäftigt sein würde. Immerhin
wurde zugesagt, einen Projektionstisch und ein Kabel zur Verfügung
zu stellen.
Es ist schon wirklich erstaunlich, mit welcher Arroganz man uns Schmalfilmern
inzwischen entgegenkommt. Kaum war ich mit meinen Geräten in
der Eingangshalle angekommen, wurde mir schon ein „Casablanca-Kurs“ angeboten.
Als ich freundlich darauf hinwies, dass ich Super 8-Filmer sei, glaubte
mich dieser„Filmfreund“ zur Rede stellen zu müssen: „Was meinen Sie
denn, wie lange Kodak noch liefert?“, und konnte sich ein hämisches
Feixen nicht verkneifen. „Und Tonspuren gibt es doch auch schon längst
nicht mehr!“ Glücklicherweise zog es der Mann dann aber vor, im Gewühl
unterzutauchen, als er bemerkte, dass mir gleich der Kragen platzen würde.
Dabei habe ich es mir eigentlich längst abgewöhnt, mich mit „missionierenden“
Videofilmern herumzustreiten. In meiner hessischen Region, wo ich zu hause
bin, und auch in meinem Offenbacher Filmclub, komme
ich im Allgemeinen mit den Videoleuten gut klar, weil man sich gegenseitig
respektiert.
Als ich mich im Foyer näher umsah, hatte ich das Gefühl,
auf einer Computermesse gelandet zu sein, und noch nie hatte ich so viele
Firmenstände auf einer DAFF gesehen, die sich auch sonst ganz auf
Werberummel eingestellt hatte. Sogar eine Tombola mit einem Wert von 30000
Mark wurde aufgeboten. Ein bisschen viel Aufwand für ein schlichtes
Amateurfestival, dachte ich bei mir. Aber immer wieder wurde ich belehrt,
dass nur so eine solche Veranstaltung finanziert werden könne. Doch,
was wird denn eigentlich finanziert …?
Zum Auftakt der Videovorführungen flimmerte ein Computer-Animationsfilm
über die Leinwand. Zur tosenden „Krieg der Sterne-Musik“
bewegte sich ein riesiges Raumschiff im Weltall, das die Gestalt einer
BDFA-Anstecknadel annimmt, bevor es schließlich auf der Erde landet.
Ein spektakulärer Beginn, und alle schienen begeistert.
Weiter ging es im Takt. Wir trauten unseren Augen nicht. Nach jedem
gezeigten Video machte sich aufdringliche Werbung auf der Leinwand breit.
Man konnte einen Film nicht in sich ausklingen lassen und sich, wie normalerweise
üblich, in einer kurzen Pause für den nächsten sammeln.
Das Werbeflimmern auf der Leinwand hielt selbst dann noch an, wenn auf
der Bühne die Autoren begrüßt und vorgestellt wurden.
Die Videofilmer waren begeistert von dem Videobild, das sich ihnen
auf den ersten Blick wohl ungewohnt groß und hell auf der Leinwand
darbot. Wir Schmalfilmer sahen uns diese Videoprojektion schon kritischer
an. Und ich machte mir zu diesem Zeitpunkt schon ein paar Sorgen
(meine Frau und „Coproduzentin“ unserer gemeinsamen Filmproduktion teilte
solche Bedenken jedoch zu keinem Augenblick!), ob wir mit unserem Beaulieu-HTI-Projektor
gegen das gleißende Licht des Sony-Beamers ankommen würden,
der so um die hunderttausend Mark kosten soll, wie wir gehört hatten.
Ich weiß natürlich, dass ich mir mit den nachfolgenden
Bemerkungen
glühende Kohlen auf mein Haupt sammle, denn ein Videofilmer wird sein
Videobild natürlich als „absolut überwältigend brillant“
empfinden, wie das in „Film&Video“ in einer Nachschau zu
Castrop-Rauxel zu lesen ist.
Aber ich kann eben nur meine Empfindungen wiedergeben. Schon nach kurzem
Hinschauen entpuppte sich das Videobild wie üblich als flach und unspektakulär,
und erst bei einem Bühnenabstand von ca. 10 m wurden die Pixel unsichtbar.
Über diesen Systemmangel konnte auch alle Helligkeit nicht hinwegtäuschen.
Es ist zudem ein merkwürdiges Licht, was von diesem Beamer kommt.
Jedenfalls stellten sich nach gut zwei Stunden Videovorführung
Kopfschmerzen ein, aber offensichtlich nur bei uns, weil sich niemand sonst
beschwert zu fühlen schien. Aber vielleicht ist das auch nur eine
Frage der Gewohnheit.
Gute Videobilder bot nur Digitalvideo – und das auch nicht immer. Trotz
der guten installierten Tonanlage lieferten auffallend viele Videos
nur mittelmäßigen Ton ab. Da hätte die Super 8-Randspur
locker mithalten können. Wirklich guten Ton brachte wieder nur Digitalvideo.
Am Freitagnachmittag hatten wir Gelegenheit für einen Testlauf.
Der Zeitpunkt war günstig, da die DAFF-Teilnehmer gerade einen Ausflug
unternahmen. Die Technik machte dabei einen ziemlich „gestressten“
Eindruck und ließ uns ihren Unmut „wegen des ganzen Aufwandes
um einen Super 8-Film“ nur zu deutlich spüren. Begeisterung schlug
mir jedenfalls nicht entgegen, als ich darauf bestand, den Videobeamer
abzudunkeln, weil er ein Pausenlicht auf die Leinwand warf, das mein Projektionsbild
verfälschte.
Nur ein anwesender 16mm-Filmer stand mir zur Seite.
Der Probelauf gelang vorzüglich. Zwar war das Projektionsbild
nicht ganz so hell wie unter Beamer-Bedingungen, aber dafür blieben
die Wald- und Wolkenstimmungen erhalten und wurden nicht durch überstrahlendes
Licht erschlagen, wie das bei vielen Videos immer wieder festzustellen
war. Auch die Schärfe war gut, und der Ton konnte sich leicht mit
den Digitalvideos messen, da wir unsere Filme neuerdings grundsätzlich
mit CD im Zweibandverfahren vertonen und vorführen.
Als der Film am Nachmittag im vollen Saal lief, hatten wir das Gefühl,
dass jetzt richtige Filmstimmung aufkam. Der Film wurde vom Publikum gut
aufgenommen, und viele Besucher kamen am Filmende zu uns, um uns das persönlich
zu bestätigen. Große Zustimmung erhielt der Film auch von dem
Bewertungsgremium, das ihm einen der sieben DAFF-Preise zubilligte und
ausdrücklich erwähnte, dass hier noch ein Film auf „echtem“ Filmmaterial
gedreht worden und zur Vorführung gekommen war („Profis“ merken so
etwas sofort, und das Bewertungsgremium setzte sich ausschließlich
aus Berufsfilmern zusammen). Klar, dass wir uns gerade darüber
besonders gefreut haben, wenn es wohl auch der eine und andere im Saal
nicht so gerne gehört haben mag.
Wie bei jedem Filmfestival schwankt die Qualität der Filme teilweise
beträchtlich. Das war auch bei dieser DAFF nicht anders, auch wenn
jetzt offiziell von „Deutschen Filmfestspielen“ die Rede ist (die
„Deutschen Amateur-Filmfestspiele“ wurden schon im vergangenen Jahr abgeschafft).
Aber die Verantwortlichen im BDFA sollten sich darüber im Klaren sein,
dass tatsächlich nur Amateurfilme in Castrop-Rauxel vorgeführt
wurden, wenn man vielleicht von den Ausnahmen absieht, die seltsamerweise
immer wieder von den Filmakademien auf diesen Veranstaltungen landen.
Ich möchte mir jedenfalls nicht anmaßen, mich „Filmprofi“ zu
nennen. Dazu gehört einfach mehr.
Der BDFA, dem ich seit vielen Jahren angehöre, sollte sich endlich
wieder auf seine Wurzeln zurückbesinnen und das Ohr mehr an der Basis
haben. Wenn der Verband jüngst wieder wehleidig beklagt, dass die
Clubleiter seine „Botschaften“ nicht rüber bringen und die Mitglieder
den Verband und seine Gliederungen negieren und nicht einmal wissen, was
alles für sie getan wird, dann muss man doch auch fragen: Woran liegt
das denn eigentlich?
Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder – da bin ich ganz sicher
– sieht es weder als Aufgabe des Verbandes an, die Interessen der Multimedia-Industrie
auf seine Fahnen zu schreiben, noch den übermäßigen Ehrgeiz
einiger Amateur Autoren nach „professioneller“ Anerkennung zu stillen.
Die Mitglieder wollen auch den Amateurstatus nicht abgeschafft wissen und
wünschen sich, dass vor allem die Eigenständigkeit des Amateurfilms
mit seiner ganzen Vielschichtigkeit gefördert und die Arbeit in den
Vereinen viel stärker gewichtet wird.
Dazu gehört auch, dass die Schmalfilmer im BDFA nicht nur einfach
statistisch als „20%-Gruppe“ verwaltet, sondern als gleichberechtigte Partner
anerkannt und unterstützt werden, und zwar mit dem gleichen Recht,
wie es auch die Videofilmer für sich in Anspruch nehmen, ihre Filme
im Original vorführen zu können. Und darum hat der BDFA
geradezu die Pflicht, bei seinen Veranstaltungen auch die technischen Voraussetzungen
dafür zu gewährleisten. Die Mitgliedsbeiträge der Schmalfilmer
dürften dafür wohl mehrfach ausreichen – oder werden ihre
Beiträge dafür eingesetzt, um „durchgängige Videoprojektionen“
durchzusetzen und auf diese Weise andere filmische Ausdrucksformen abzuwürgen?
Wie sehr der Verband mittlerweile ausschließlich auf Video fixiert
ist, wird auch daran deutlich, dass er alle in Castrop-Rauxel mit einem
Sonderpreis gekrönten Videofilme ins Internet stellen ließ,
meinen ebenfalls mit einem Preis ausgezeichneten Schmalfilm jedoch nicht
einmal erwähnte.
Nun lege ich zwar persönlich wirklich keinen Wert auf eine Internet-Präsentation
(die Bildqualität ist grausam!), aber es wird auch hier wieder die
Tendenz erkennbar, den Schmalfilm auszugrenzen und möglichst totzuschweigen.
Wenn ich dann in der letzten Ausgabe von „Film & Video“
lesen muss, „im BDFA seien alle gleich“, dann klingt das schon wie blanker
Hohn.
Ich appelliere an die Einsicht und Vernunft aller Verantwortlichen,
diese Entwicklung zu stoppen und umzukehren auf dieser Einbahnstraße,
damit sich Castrop-Rauxel in der erlebten Form nicht wiederholen kann!
Aufgerufen sind aber auch die Schmalfilmer selbst, ihren Protest vorzutragen
und sich keinem Druck zu beugen, ihre mit Engagement und Sorgfalt hergestellten
Schmalfilme um den Preis einer deutlich herabgeminderten Qualität
auf Video überspielen zu lassen. Wenn die Veranstalter keine Schmalfilme
mehr akzeptieren wollen, sollten die Filmer an solchen Veranstaltungen
einfach nicht mehr teilnehmen.
Ich werde mich jedenfalls weiterhin nicht verbiegen lassen und dem
fotografischen Film auch in Zukunft die Treue halten in der immer wieder
bestätigten Überzeugung, mit einem Medium zu arbeiten, das durch
kein anderes besser zu ersetzen ist – mögen mich die „fortschrittlichen“
Videoasten dafür auch noch so schief ansehen.