Rettet den Amateurfilm!
Beobachtungen und Erfahrungen eines Schmalfilmers bei den
Deutschen Filmfestspielen der Amateure in Castrop-Rauxel
Von Jürgen Vanscheidt

Nie hätten wir gedacht, dass es irgendwelche Probleme geben würde, unseren Super 8-Film „Der Mann der die Bäume pflanzte“ der sich schließlich im Original ordnungsgemäß qualifiziert hatte, auf der DAFF vorführen zu können. Noch im letzten Jahr hatte  Manfred Neumann in Bad Liebenstein auf Bitten der Veranstalter die Schmalfilm-Projektion durchgeführt, die große Anerkennung gefunden und  bewiesen hat, zu welchen Hochleistungen unser schmales Format auflaufen kann, wenn man ihm nur die Chance dafür gibt. Diesmal war Manfred Neumann nicht mehr gefragt.
Aus dem Internet erfuhr ich, dass unser Film als einziger Super 8-Film im Programm aufgeführt war.  Misstrauisch rief ich beim Veranstalter in Castrop-Rauxel an, um mich nach dem Stand der Filmvorbereitungen zu erkundigen, konnte den ausrichtenden Clubleiter aber nicht persönlich erreichen. Kurz danach meldete sich aber jemand von der Jürgen und Margaret vor der Hallezuständigen Technik, der mich zu überreden versuchte, meinen Film auf Video zu überspielen. In Castrop-Rauxel stünde der neueste Videobeamer von Sony mit einem phantastisch hellen Bild zur Verfügung, und wir würden sicher nur enttäuscht sein, wenn unser Film auf einem Super 8-Projektor vorgeführt werden würde Überhaupt sei es schon sehr „mutig“, dass wir es überhaupt wagen wollten, einen Super 8-Film auf eine acht Meter breite Leinwand zu projizieren. Ich ließ mich darauf aber nicht ein und bestand auf Super 8-Projektion. Man konnte mir aber nicht sagen, welche Technik dafür eingesetzt werden sollte. So bot ich an, meinen eigenen Projektor mitzubringen, um dem zu erwartenden Desaster zuvorzukommen. Sonderlich erfreut schien man über diese Wendung allerdings nicht zu sein, und ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass man keine Zeit haben würde, sich groß um mich zu kümmern, da man voll mit der Videoprojektion beschäftigt sein würde. Immerhin wurde zugesagt, einen Projektionstisch und ein Kabel zur Verfügung zu stellen.
Es ist schon wirklich erstaunlich, mit welcher Arroganz man uns Schmalfilmern inzwischen entgegenkommt. Kaum war ich mit meinen Geräten in  der Eingangshalle angekommen, wurde mir schon ein „Casablanca-Kurs“ angeboten. Als ich freundlich darauf hinwies, dass ich Super 8-Filmer sei, glaubte mich dieser„Filmfreund“ zur Rede stellen zu müssen: „Was meinen Sie denn, wie lange Kodak noch liefert?“, und konnte sich ein hämisches Feixen nicht verkneifen.  „Und Tonspuren gibt es doch auch schon längst nicht mehr!“ Glücklicherweise zog es der Mann dann aber vor, im Gewühl unterzutauchen, als er bemerkte, dass mir gleich der Kragen platzen würde. Dabei habe ich es mir eigentlich längst abgewöhnt, mich mit „missionierenden“ Videofilmern herumzustreiten. In meiner hessischen Region, wo ich zu hause bin,     und auch in meinem Offenbacher Filmclub, komme ich im Allgemeinen mit  den Videoleuten gut klar, weil man sich gegenseitig respektiert.
Als ich mich im Foyer näher umsah, hatte ich das Gefühl, auf einer Computermesse gelandet zu sein, und noch nie hatte ich so viele Firmenstände auf einer DAFF gesehen, die sich auch sonst ganz auf Werberummel eingestellt hatte. Sogar eine Tombola mit einem Wert von 30000 Mark wurde aufgeboten. Ein bisschen viel Aufwand für ein schlichtes Amateurfestival, dachte ich bei mir. Aber immer wieder wurde ich belehrt, dass nur so eine solche Veranstaltung finanziert werden könne. Doch, was wird denn eigentlich finanziert …?
Zum Auftakt der Videovorführungen flimmerte ein Computer-Animationsfilm über die Leinwand.  Zur tosenden „Krieg der Sterne-Musik“ bewegte sich ein riesiges Raumschiff im Weltall, das die Gestalt einer BDFA-Anstecknadel annimmt, bevor es schließlich auf der Erde landet. Ein spektakulärer Beginn, und alle schienen begeistert.
Weiter ging es im Takt. Wir trauten unseren Augen nicht. Nach jedem gezeigten Video machte sich aufdringliche Werbung auf der Leinwand breit. Man konnte einen Film nicht in sich ausklingen lassen und sich, wie normalerweise üblich, in einer kurzen Pause für den nächsten sammeln. Das Werbeflimmern auf der Leinwand hielt selbst dann noch an, wenn auf der Bühne die Autoren begrüßt und vorgestellt wurden.
Die Videofilmer waren begeistert von dem Videobild, das sich ihnen auf den ersten Blick wohl ungewohnt  groß und hell auf der Leinwand darbot. Wir  Schmalfilmer sahen uns diese Videoprojektion schon kritischer an. Und ich machte mir zu diesem Zeitpunkt schon  ein paar Sorgen (meine Frau und „Coproduzentin“ unserer gemeinsamen Filmproduktion teilte solche Bedenken jedoch zu keinem Augenblick!), ob wir mit unserem Beaulieu-HTI-Projektor gegen das gleißende Licht des Sony-Beamers ankommen würden, der so um die hunderttausend Mark kosten soll, wie wir gehört hatten.
Ich weiß natürlich, dass ich mir mit den nachfolgenden Bemerkungen glühende Kohlen auf mein Haupt sammle, denn ein Videofilmer wird sein Videobild natürlich als „absolut überwältigend brillant“ empfinden, wie das in „Film&Video“ in einer  Nachschau zu  Castrop-Rauxel zu lesen ist.
Aber ich kann eben nur meine Empfindungen wiedergeben. Schon nach kurzem Hinschauen entpuppte sich das Videobild wie üblich als flach und unspektakulär, und erst bei einem Bühnenabstand von ca. 10 m wurden die Pixel unsichtbar. Über diesen Systemmangel konnte auch alle Helligkeit nicht hinwegtäuschen. Es ist zudem ein merkwürdiges Licht, was von diesem Beamer kommt. Jedenfalls stellten sich  nach gut zwei Stunden Videovorführung Kopfschmerzen ein, aber offensichtlich nur bei uns, weil sich niemand sonst beschwert zu fühlen schien. Aber vielleicht ist das auch nur eine Frage der Gewohnheit.
Gute Videobilder bot nur Digitalvideo – und das auch nicht immer. Trotz der guten installierten Tonanlage lieferten  auffallend viele Videos nur mittelmäßigen Ton ab. Da hätte die Super 8-Randspur locker mithalten können. Wirklich guten Ton brachte wieder nur Digitalvideo.
Am Freitagnachmittag hatten wir Gelegenheit für einen Testlauf. Der Zeitpunkt war günstig, da die DAFF-Teilnehmer gerade einen Ausflug unternahmen. Die Technik machte dabei einen ziemlich „gestressten“
Eindruck und ließ uns ihren Unmut „wegen des ganzen Aufwandes um einen Super 8-Film“ nur zu deutlich spüren. Begeisterung schlug mir jedenfalls nicht entgegen, als ich darauf bestand, den Videobeamer abzudunkeln, weil er ein Pausenlicht auf die Leinwand warf, das mein Projektionsbild verfälschte.
 Nur ein anwesender 16mm-Filmer stand mir zur Seite.
Der Probelauf gelang vorzüglich. Zwar war das Projektionsbild nicht ganz so hell wie unter Beamer-Bedingungen, aber dafür blieben die Wald- und Wolkenstimmungen erhalten und wurden nicht durch überstrahlendes Licht erschlagen, wie das bei vielen Videos immer wieder festzustellen war. Auch die Schärfe war gut, und der Ton konnte sich leicht mit den Digitalvideos messen, da wir unsere Filme neuerdings grundsätzlich mit CD im Zweibandverfahren vertonen und vorführen.
Als der Film am Nachmittag im vollen Saal lief, hatten wir das Gefühl, dass jetzt richtige Filmstimmung aufkam. Der Film wurde vom Publikum gut aufgenommen, und viele Besucher kamen am Filmende zu uns, um uns das persönlich zu bestätigen. Große Zustimmung erhielt der Film auch von dem Bewertungsgremium, das ihm einen der sieben DAFF-Preise zubilligte und ausdrücklich erwähnte, dass hier noch ein Film auf „echtem“ Filmmaterial gedreht worden und zur Vorführung gekommen war („Profis“ merken so etwas sofort, und das Bewertungsgremium setzte sich ausschließlich aus Berufsfilmern zusammen). Klar, dass wir uns gerade darüber  besonders gefreut haben, wenn es wohl auch der eine und andere im Saal nicht so gerne gehört haben mag.
Wie bei jedem Filmfestival schwankt die Qualität der Filme teilweise beträchtlich. Das war auch bei dieser DAFF nicht anders, auch wenn jetzt offiziell von  „Deutschen Filmfestspielen“ die Rede ist (die „Deutschen Amateur-Filmfestspiele“ wurden schon im vergangenen Jahr abgeschafft). Aber die Verantwortlichen im BDFA sollten sich darüber im Klaren sein, dass tatsächlich nur Amateurfilme in Castrop-Rauxel vorgeführt wurden, wenn man vielleicht von den Ausnahmen absieht, die seltsamerweise immer wieder von den Filmakademien  auf diesen Veranstaltungen landen. Ich möchte mir jedenfalls nicht anmaßen, mich „Filmprofi“ zu nennen. Dazu gehört einfach mehr.
Der BDFA, dem ich seit vielen Jahren angehöre, sollte sich endlich wieder auf seine Wurzeln zurückbesinnen und das Ohr mehr an der Basis haben. Wenn der Verband jüngst wieder wehleidig beklagt, dass die Clubleiter seine „Botschaften“ nicht rüber bringen und die Mitglieder den Verband und seine Gliederungen negieren und nicht einmal wissen, was alles für sie getan wird, dann muss man doch auch fragen: Woran liegt das denn eigentlich?
Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder – da bin ich ganz sicher – sieht es weder als Aufgabe des Verbandes an, die Interessen der Multimedia-Industrie auf seine Fahnen zu schreiben, noch den übermäßigen Ehrgeiz einiger Amateur Autoren nach „professioneller“ Anerkennung zu stillen. Die Mitglieder wollen auch den Amateurstatus nicht abgeschafft wissen und wünschen sich, dass vor allem die Eigenständigkeit des Amateurfilms mit seiner ganzen Vielschichtigkeit gefördert und die Arbeit in den Vereinen viel stärker gewichtet wird.
Dazu gehört auch, dass die Schmalfilmer im BDFA nicht nur einfach statistisch als „20%-Gruppe“ verwaltet, sondern als gleichberechtigte Partner anerkannt und unterstützt werden, und zwar mit dem gleichen Recht, wie es auch die Videofilmer für sich in Anspruch nehmen, ihre Filme  im Original vorführen zu können. Und  darum hat der BDFA geradezu die Pflicht, bei seinen Veranstaltungen auch die technischen Voraussetzungen  dafür zu gewährleisten. Die Mitgliedsbeiträge der Schmalfilmer dürften dafür wohl mehrfach ausreichen –  oder werden ihre Beiträge dafür eingesetzt, um „durchgängige Videoprojektionen“ durchzusetzen und auf diese Weise andere filmische Ausdrucksformen abzuwürgen?
Wie sehr der Verband mittlerweile ausschließlich auf Video fixiert ist, wird auch daran deutlich, dass er alle in Castrop-Rauxel mit einem Sonderpreis gekrönten Videofilme ins Internet stellen ließ, meinen ebenfalls mit einem Preis ausgezeichneten Schmalfilm jedoch nicht einmal erwähnte.
Nun lege ich zwar persönlich wirklich keinen Wert auf eine Internet-Präsentation (die Bildqualität ist grausam!), aber es wird auch hier wieder die Tendenz erkennbar, den Schmalfilm auszugrenzen und möglichst totzuschweigen.
Wenn ich dann in der letzten Ausgabe von „Film  &  Video“ lesen muss, „im BDFA seien alle gleich“, dann klingt das schon wie blanker Hohn.
Ich appelliere an die Einsicht und Vernunft aller Verantwortlichen, diese Entwicklung zu stoppen und umzukehren auf dieser Einbahnstraße, damit sich Castrop-Rauxel in der erlebten Form nicht wiederholen kann!
Aufgerufen sind aber auch die Schmalfilmer selbst, ihren Protest vorzutragen und sich keinem Druck zu beugen, ihre mit Engagement und Sorgfalt hergestellten Schmalfilme um den Preis einer deutlich herabgeminderten Qualität auf Video überspielen zu lassen. Wenn die Veranstalter keine Schmalfilme mehr akzeptieren wollen, sollten die Filmer an solchen Veranstaltungen einfach nicht mehr teilnehmen.
Ich werde mich jedenfalls weiterhin nicht verbiegen lassen und dem fotografischen Film auch in Zukunft die Treue halten in der immer wieder bestätigten Überzeugung, mit einem Medium zu arbeiten, das durch kein anderes besser zu ersetzen ist – mögen mich die „fortschrittlichen“ Videoasten dafür auch noch so schief ansehen.